Die rechten Hände von Franz Josef Strauß

In den 60er Jahren ergreifen zwei Akteure der Neuen Rechten ihre Chance und werden Teil von Franz Josef Strauß‘ engstem Beraterstab. Armin Mohler und Marcel Hepp avancieren zu Sprachrohr und Stichwortgeber des CSU-Vorsitzenden.
Franz Josef Strauß (CSU) als Bundesfinanzminister im Jahre 1967. Zu dieser Zeit stand er unter dem Einfluss von Mohler und Hepp.
Comet Photo AG (Zürich)/CC BY-SA 4.0

Im Oktober 1962 veröffentlichte der Spiegel den Artikel „Bedingt abwehrbereit“ und thematisierte darin die Nato-Wehrübung „Fallex 62“. Das Manöver spielte das Szenario eines dritten Weltkrieges, im Sinne eines atomaren Verteidigungskrieges, durch. Das Urteil der Nato zum Zustand der Bundeswehr fiel vernichtend aus, die Schlechteste von vier möglichen Kategorien: „zur Abwehr bedingt geeignet“.

Eine Schmach für den Verteidigungsminister Strauß, der während der Übung Urlaub an der italienischen Riviera machte. Die Bundesanwaltschaft witterte die Preisgabe von Staatsgeheimnissen und somit Landesverrat. Strauß, mittlerweile aus dem Urlaub zurück, ließ mit harter Hand gegen den Spiegel vorgehen.

Es folgten Verhaftungen der beiden Chefredakteure, sowie des Verlegers Augstein. Die berühmte „Spiegelaffäre“ nahm ihren Lauf. An deren Ende wird der Druck auf Franz-Josef Strauß so hoch sein, dass er vom Amt des Verteidigungsministers zurücktreten muss.

Armin Mohler und der Mythos der „Konservativen Revolution“

Einer der Wenigen, die während der Affäre Partei für ihn ergriffen, war der Schweizer Publizist und (Mit)Begründer der Neuen Rechten in Deutschland, Armin Mohler. Ihn gilt es besonders hervorzuheben, weil Mohler in Stauß´ politischer Karriere noch einige Impulse liefern wird. Doch wer war dieser Mann?

1920 in Basel geboren, das zu dieser Zeit als besonders „rot“ galt, war er angeblich erst in linken Studierendenkreisen aktiv. Ein Mythos, den Mohler um sich selbst gebildet hatte. Günter Maschke, ein ehemaliger APO-Aktivist und mittlerweile Teil der Neuen Rechten, wies in diesem Kontext darauf hin, dass der Schweizer Publizist keine marxistischen Begriffe und Konzepte verwendete, wie es für marxistisch geschulte Personen üblich gewesen sei und, obschon er Mohler sehr schätzte, nicht davon ausgehe, dass dieser sich eingehender mit solchen Theorien befasst habe.

In starkem Kontrast zum Narrativ des linken Konvertiten steht das, was im Jahr 1941 passierte. Obwohl bereits Teil der Schweizer Armee, versuchte er sich dem Russlandfeldzug der deutschen Wehrmacht anzuschließen.

Später wird er darüber sagen:

„[D]ieser Moment während des Krieges, 1941, wo meine Mutter ins Zimmer kommt und mir, dem linken, antifaschistischen Studenten sagt, die Deutschen sind in Rußland einmarschiert. Das hatte nichts mit Antikommunismus zu tun, Ich hatte einfach das Gefühl, jetzt geht´s um die Wurscht! und: da gehörst du irgendwo hin. Meine größere Identität, die über die bloße Heimat hinausging, das war eben doch Deutschland. Das war auch die Zeit, wo ich [Ernst] Jünger zu lesen begann. So kam ich an den ‚Arbeiter‘, und der wirkte derart explosiv, daß ich dann das Buch zumachte und am 5.Feburar über die Grenze nach Deutschland ging.“ (Weiß 2017)

Doch er wird von der Wehrmacht abgewiesen. Über die genauen Gründe ist leider nichts bekannt. Stattdessen beginnt er ein Semester völkisch gerichtete Kunstgeschichte in Berlin zu studieren

1942 nimmt er an einem Sommerlager der Waffen-SS teil, dass er später in einem Interview als eine Art „paneuropäisches Erweckungserlebnis“ bezeichnen sollte. Er war begeistert von dieser Ansammlung an Europäer•innen aus Dänemark, Spanien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, die in seinen Augen den internationalen Elite-Geist der Waffen-SS widerspiegelten. Eben jener Geist stellte das europapolitische Erbe dar, dass die Neue Rechte antrat.

Nach seiner Haft begann Mohler seine Dissertation bei Karl Jaspers an der Universität Basel, die er 1949 abschloss. Sein Thema war „Die Konservative Revolution in Deutschland von 1918-1932“. In dieser, auch autobiographisch geprägten Arbeit, unternahm er den Versuch, verschiedenste radikal-nationalistische Autor•innen der Weimarer Republik vom Nationalsozialismus abzugrenzen, sie in einer einheitlichen Denkschule, die neben Liberalismus, Sozialismus und Konservatismus bestehen sollte, zu formieren und dadurch rechter politischer Theorie, die sich vermeintlich von der NS-Barbarei abgrenzen ließ, in der jungen BRD ein Fundament zu gießen.

Dabei konstruierte er aus einer höchst heterogenen Menge an extrem-rechten politischen und philosophischen Schriften einen Mythos, der bei eingehender Betrachtung von unterschiedlichsten Ansätzen und Ideen geprägt ist und deren einzige Gemeinsamkeiten die Ablehnung des Liberalismus, der Idee einer pluralistischen Gesellschaft und der parlamentarischen Demokratie darstellen. Mohler selbst zitiert in einem Brief an seinen Jugendfreund Hans Fleig seinen Doktorvater, der das Ansinnen seines Studenten auf den Punkt brachte, dessen prophetische Fähigkeiten allerdings alles andere als hellseherisch waren:

„Nicht wahr, lieber Herr Mohler, darüber sind wir uns ja klar: Ihre Arbeit ist eine grossangelegte [sic] Entnazifizierung dieser Autoren, die besticht und heute in Deutschland mit Begierde gelesen werden wird. Wenn ich nicht wüsste, dass Deutschland politisch nichts mehr zu sagen hat, sondern dass alles auf USA und Russland ankommt, könnte ich die Verantwortung für Ihre Dissertation nicht übernehmen. Da sie aber bloß begrenzten Unfug stiften wird, nehme ich sie an.“ (Fuchs 2020)

Wie unrecht Jaspers damit behalten sollte, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass der extrem rechte Thinktank „Institut für Staatsforschung“ (IfS) unter Leitung von Karl-Heiz Weißmann und Götz Kubitschek 2011 ein Sommerlager zum Thema der konservativen Revolution abhielt.

Durch diese Dissertation gelang Mohler, was ihm von vorherein im Sinn stand: Eine Wiedergeburt radikal-rechter Ideengeschichte, die dem bundesrepublikanischen Parlamentarismus ein autoritäres, nativistisches und vom Reichsgedanken geprägtes Narrativ gegenüberstellte, dass sich vermeintlich vom Holocaust und den Gräuel der NS-Diktatur abgrenzte und die Wiedergeburt einer rechts-autoritären Erzählung möglich machte. So erlangte Mohler in kürzester Zeit Bekanntheit in den noch immer aktiven antiliberalen Kreisen der jungen Bonner Republik und wurde noch im Jahr des Erscheinens seiner Doktorarbeit Privatsekretär von Ernst Jünger.

Ein Autor, der bereits mit seiner autobiographischen Debütschrift zum Ersten Weltkrieg „In Stahlgewittern“ (1920) für Aufsehen sorgte. War sie doch durchtränkt von streng preußischem Korpsgeist und von an sexuelle Fantasien erinnernden Kriegsanalogien:

„Nach einiger Zeit erscholl vor der Tür unserer hüttenartigen Unterkunft der Ruf: »Heraustreten!« Wir traten bei unseren Gruppen an und stießen auf das Kommando: »Laden und Sichern!« mit geheimer Wollust einen Rahmen scharfer Patronen ins Magazin.“ (Jünger 1978)

Wessen Geistes Kind Jünger in der Weimarer Zwischenkriegszeit war, lässt sich auch aus seiner politischen Hauptschrift „Der Arbeiter“ (1932) vernehmen. So schreibt Henning Ottmann im Band 4.1 seiner „Geschichte des politischen Denkens“:

Wer den Nationalsozialismus vorweggenommen sehen will, kann auf das Anti-Bürgerliche und Anti-Parlamentarische verweisen, auf die Verschmelzung von Arbeiter und Soldat, auf die Kollektivierung und Entindividualisierung. Im Anspruch auf die vollständige Erfassung ist der Arbeitsstaat totalitär. Im Unterschied zum Nationalsozialismus spielt bei Jünger der Begriff der »Rasse« – auch wenn er ihn gelegentlich verwendet – keine konstitutive Rolle.“

Mohler war von 1949 bis 1953 Jüngers Adlatus, wurde von ihm liebevoll „Arminius“ genannt, in Anlehnung an eine „konservativ-revolutionäre“ Zeitschrift, für die der Schriftsteller während der Weimarer Republik publizierte.

Manchem mag auch die Parallele zu Arminius und der Varusschlacht 9 n. Chr. auffallen, die in einigen rechten Kreisen als die Geburtsstunde des Mythos Germanien gilt. Während seiner Tätigkeit für Jünger traf er auch auf einen jungen Mann namens Marcel Hepp, der bereits in jungen Jahren die Werke des Schriftstellers sowie Mohlers Dissertation gelesen hatte und für unsere Geschichte noch von erheblicher Bedeutung sein wird. 1953 überwarfen sich Meister und Schüler schließlich, da Jünger mehr und mehr an seinem Vermächtnis als Autor von Weltgeltung gelegen war und deshalb begann, die Neuauflagen seiner politischen Schriften zu entschärfen.

In der Folgezeit ging Mohler als Korrespondent nach Paris, um für verschiedene Zeitungen tätig zu sein, darunter die Schweizer Publikation „Die Tat“, aber auch deutsche Blätter wie „Die Zeit“ und später auch „Christ und Welt“. Deren Chefredakteur Giselher Wirsing war nicht nur ein Autor in Mohlers „Konservativer Revolution“, sondern besaß auch eine bewegte Vergangenheit als NS-Propagandist.

Währenddessen webte Mohler ein Netz zur französischen Rechten, das für die europäische Neue Rechte von nachhaltiger Bedeutung sein sollte. So lernte er den später einflussreichen Rechtsintellektuellen Alains de Benoist kennen, der extremen Einfluss auf die neurechte Ideengeschichte nehmen sollte.

Durch seinen Frankreichaufenthalt begann sich der Schweizer auch für den französischen Staatschef Charles de Gaulle und dessen Vision eines Gaullismus zu begeistern. Prägend für dessen Ideen waren der Typus eines autoritären Präsidenten und die fundamentale Abkehr der Westbindung an die USA. Diese Idee sollte Mohler mit nach Deutschland bringen und in Franz Josef Strauß einen „deutschen de Gaulle“ erblicken, womit die Beeinflussung des bayerischsten aller Politiker seinen Lauf nahm.

Der Weg zu Franz Josef Strauß

Wie eingangs bereits erwähnt, war Mohler einer der Wenigen, die während der Spiegelaffäre Partei für den bayerischen Politiker ergriffen. Dies sollte ihm nun, nach seiner publizistischen Tätigkeit, auch die Möglichkeit der direkten politischen Einflussnahme ermöglichen. In Strauß setzte Mohler seine Hoffnungen auf eine Umkehr der deutschen Innen- und Außenpolitik im Sinne einer autoritären Präsidentenpersönlichkeit und einer Abkehr vom „US-amerikanischen Seniorpartner“.

Jedoch war dem Schweizer nicht daran gelegen, mit der anderen Großmacht des Kalten Krieges, der UdSSR, zu kollaborieren. Ganz Gaullist forderte er von Strauß, auf Distanz zu beiden Mächten zu gehen und brachte stattdessen eine Allianz mit dem kommunistischen China ins Spiel, eine Forderung, die Strauß jedoch ungehört verhallen ließ.

Nichtsdestoweniger wurde Mohler Redenschreiber und Autor im CSU-eigenen Parteiblatt „Bayernkurier“, dessen Herausgeber Franz-Josef Strauß höchstselbst war. Außerdem soll Strauß der Ideengeber für Mohlers Buch „Was die Deutschen fürchten. Angst vor der Politik, Angst vor der Geschichte, Angst vor der Macht“ (1965), gewesen sein. Dem Buch stelle der Schweizer Autor eine Widmung für Carl Schmitt voran, einer schillernden Persönlichkeit der extremen Zwischenkriegs-Rechten, der als Staatsrechtler großen Einfluss auf antiliberale Staats- und Politikideen nahm und in der NS-Zeit als Kronjurist der Nationalsozialist•innen galt. So war er an der Abfassung der Nürnberger Gesetze beteiligt.

Im Nachgang des „Röhm-Putsches“ im Sommer 1934 veröffentlichte Schmitt den Essay „Der Führer schützt das Recht“ und rechtfertigte damit die Säuberungsaktionen vom 30.06.1934. Ganz im Sinne Schmitts, der dieses Manöver als „Zugang zum Machthaber“ betitelte, gelang Mohler 1965 sein „machiavellistisches Meisterstück“, wie Volker Weiß es treffend betitelte, indem er seinen Adlatus Marcel Hepp als persönlichen Berater von Strauß und Chefredakteur des eben erwähnten „Bayernkurier“ platzieren konnte.

Die "Katholische Front"

Jener Marcel Hepp ist eine weitgehend unbekannte Persönlichkeit, die allerdings in den letzten Jahren vor allem von der Neuen Rechten wieder in den Fokus gerückt wurde. Wie ebenfalls bereits erwähnt, lernten Hepp und Mohler sich während Mohlers Tätigkeit bei Jünger kennen. Er und sein Bruder Robert – ein Soziologe, der in extremrechten Kreisen einen exzellenten Ruf genießt und in seinem demographischen Hauptwert: „Die Endlösung der Deutschen Frage“ bereits Ende der 1980er Jahre die Ideen eines Thilo Sarrazin, als auch den identitären Diskurs und die Erzählung des „Großen Austausches“ voraussagte – pilgerten zu dem rechts-autoritären Schriftsteller Jünger, der im, von deren Heimatort Langenenslingen nicht weit entfernten, Wilflingen wohnte. Beide waren sowohl mit den Schriften Jüngers als auch mit Mohlers Dissertation bestens vertraut.

Die beiden Brüder gründeten bereits Ende der 1950er Jahre die Studentengruppe „Katholische Front“ an den Universitäten Tübingen und Erlangen. Doch durch Insistieren des Bischofs von Rottenburg musste die Gruppe in „Konservative Front“ umbenannt werden. Kennzeichnend für sie sei die Fundamentalopposition zum bundesdeutschen Kurs gegenüber den Verbrechen des NS-Regimes gewesen, dabei nahmen sie den Kurs der Neuen Rechten in Deutschland, der durch Höckes Unwort des „Denkmal[s] der Schande“ traurige Berühmtheit erlangte und sich in dem Begriff „Schuldkult“ subsumieren lässt, vorweg.

Auch die mittlerweile bekannten Taktiken der Umdeutung und Neubesetzung von politischen und gesellschaftlichen Begriffen sei Teil ihres aktivistischen Repertoires gewesen.  Kennzeichnend sei außerdem ihr Rassismus gewesen, der sich beispielsweise in einer Modifikation eines Albert Schweizer Zitats Bahn brach, „um gegen afrikanische Studenten als »schwarze Minderbrüder« zu hetzen“. Diese Aktion zog immerhin ein Hausverbot der Universität Tübingen nach sich. Außerdem gelten das Brüderpaar und ihre Mitstreiter•innen als Begründer•innen des außerparlamentarischen Aktivismus in der BRD.

Bereits Jahre vor der 68er Bewegung hätten sie „neuartige Kampfmethoden (…) modern aktivistischen Stil(s) in der Bundesrepublik bekannt gemacht […]: Go-Ins, das »Kappern« von Versammlungen oder die Aufforderung an Professoren ihre Lehrmeinung zur rechtfertigen [seien] genuin rechte Wortergreifungsstrategien.“ (Wegener 2015)

Der Blog „Historischer Augenblick“ des Instituts für Geschichtsdidaktik und Public History der Eberhart Karls Universität Tübingen versuchte in einer umfassenden Quellenrecherche das tatsächliche Wirken der „Katholischen/Konservativen Front“ zu ergründen. Allerdings fanden sich weder im Archiv der Universität eindeutige Hinweise, wie etwa das im Sezessionsartikel erwähnte Flugblatt (Artikel in Bibliographie aufgelistet), noch wurde die Gruppe in der Liste der ehemals aktiven Student•innengruppen an der Universität Tübingen aufgeführt.

Auch weitere intensive Quellenrecherchen brachten keine handfesten Hinweise zu Tage. Trotzdem kommt der Autor des Blogartikels zu dem Schluss, dass die Gruppe wohl kein Mythos ist, sondern tatsächlich existierte, sie allerdings ob der fehlenden schriftlichen Zeugnisse eine eher kleine Gruppe waren, „ohne Durchschlagskraft und mit wenigen Mitgliedern“. Zusammenfassend lässt sich vielleicht konstatieren, dass die Neue Rechte die Gruppe um die Gebrüder Hepp dankend zu mehr stilisiert als sie in Wirklichkeit war.

Hepp – Sprachrohr und Stichwortgeber von Franz-Josef Strauß

Abseits seiner aktivistischen Tätigkeit studierte Hepp Jura und legte 1965 das zweite Staatsexamen ab. Da Strauß zu diesem Zeitpunkt einen neuen persönlichen Referenten suchte, der keine internen Parteiverbindungen besaß, empfahl Mohler seinen vormaligen Adlatus an Strauß. So wurde dieser im März 1965 erst „Sachbearbeiter in der CSU-Landesleitung“, im Mai „Referent für Öffentlichkeitsarbeit“ und im Herbst desselben Jahres zu Strauß` „persönlichem Berater in politischen Fragen“.

Postwendend wird Hepp unter Einbeziehung von Mohler zum Stichwortgeber für Strauß. Noch vor Hepps Berufung, im Sommer 1964, wurde auf dem internationalen diplomatischen Parkett über einen „internationalen Nichtverbreitungsvertrag von Atomwaffen (»Non-Profileration-Treaty« – NPT)“ diskutiert. 

Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich hatten es aufgrund der vorangegangenen Atomwaffentests Chinas initiiert. Diese Bestrebungen trafen bei den Gaullisten, zu denen auch Mohler, Hepp und Strauß gehörten, auf großen Widerstand. Um dagegen politisch agitieren zu können, prägten Mohler und Hepp den Terminus des „Atomwaffensperrvertrages“, den Strauß sofort für sich besetzte und der wesentlich prägnanter war als „Internationales Nichtverbreitungsabkommen für Atomwaffen“

Der Erfolg der Begriffsbesetzung lässt sich beispielsweise daran bemessen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung in einem Artikel zum 50-jährigen Jubiläum der Unterzeichnung des Vertrages den Begriff wie selbstverständlich verwendet

Zum 1.Mai 1967 wurde Hepp zum geschäftsführenden Herausgeber des „Bayernkurier“ ernannt. Ihm überstand dadurch nur Strauß selbst, der das Amt des Herausgebers bekleidete. Allerdings wurde laut eines Spiegelartikels vom 09.11.1969 Hepp im Impressum als geschäftsführender Herausgeber nicht genannt, obwohl dieser als „Freund und persönlicher Referent“ die Richtlinien der Blatt-Inhalte bestimmte. Hepp mobilisierte nicht nur Mohler für das reißerische Parteiorgan, auch andere „kämpferische Rechtsintellektuelle wie Winfrid Martini und Ernst Franzel“ (Wegener 2015) wurden Teil der Redaktion.

Hepp provozierte mit Kommentaren wie z.B. zu Brandts Haltung zum „Atomwaffensperrvertrag“:

Wieder wird es ein Sozialdemokrat sein, der einen verhängnisvollen Vertrag unterschreibt. Beim Versailler Vertrag spielte der SPD-Kanzler Bauer diese tragische Rolle. Jetzt ist Willy Brandt in seine Fußstapfen getreten.“ und weiter hieß es, „[Brandt und seine Umgebung hätten] schon immer ein gebrochenes Verhältnis zum deutschen Standpunkt gehabt.“ (Der Spiegel, 46/1969)

Wie der Spiegel in dem Text weiter berichtete, hatte nicht einmal die rechtsradikale Nationalzeitung Hepps Formulierungen uneingeschränkt übernommen und die Schlagzeile des „Bayernkuriers“ „Brandt als Kanzler des Ausverkaufs“ mit einem „?“ versehen. Der junge Marcel Hepp wurde vom Herausgeber des Spiegels Augstein dann auch treffend als „Maulschelle des F.J. Strauß“ bezeichnet. In der Sezession des extrem rechten „Instituts für Staatsforschung“ ist zu lesen, dass dieser einen konsequenten innerparteilichen Rechtskurs verfolgte und „publizistisch gnadenlos über politische Opponenten her[fiel]“

Seine aggressive Art rief 1968 die Junge Union auf den Plan, die seine Absetzung forderte. 1969 reif der CDU-Parteisprecher Uwe Rainer Simon Kanzler Kiesinger dazu auf, „daß Marcel Hepp endlich abgelöst wird, damit diese unwürdigen Artikel, die dort veröffentlich wurden endlich wegkommen.“ Diese Äußerung wurde umgehend mit Beifall gewürdigt. Beide Beispiele zeigen eindringlich, welche Gräben die Publikationen Hepps und die Agitation Strauß` zwischen den Schwesternparteien aufrissen.

Welches Vertrauen Hepp wirklich genoss, zeigte sich, als dieser im Jahr der Bundestagswahl 1969 auf Geheiß Strauß` zusammen mit dem „Altreaktionär“ (Süddeutsche Zeitung) Becher in die USA reiste, um gegen die Unterzeichnung des „Atomwaffensperrvertrages“ Stimmung zu machen, dabei jedoch scheiterte. Strauß erlebte am 28.09.1969 eine krachende Wahlniederlage, am 05.03.1970 trat der von den Gaullisten gehasste Vertrag in Kraft. All das erlebte Hepp, mittlerweile an Knochenmarkskrebs im Endstadium erkrankt, nur noch vom Krankenbett aus. Er stirbt im Oktober 1970 im Alter von nur 34 Jahren an den Folgen seiner Erkrankung. Strauß hielt den Nachruf an Hepps Grab, hatte ihn aber laut Mohler während der gesamten Zeit seiner Erkrankung nie im Krankenhaus besucht.

Welche politischen Ideale Hepp vertrat und wie er diese zum Ausdruck brachte, zeigt ein Mohler Zitat von Karl-Heiz Weißmann (Herausgeber der Jungen Freiheit). Demnach hätte sein ideologischer Ziehvater Mohler in ihm immer den Gründer der spanischen Falange (die spanische faschistische Partei) José Antonio Primo de Rivera wiedererkannt.

Ein Mann, zu dem Mohler auf die Frage, ob er Faschist sei, mit der Antwort quittierte, wenn Faschist sein bedeute, dies im Sinne José Antonio Primo de Riveras zu sein, dann sei er Faschist. ­

Literatur

Bedingt abwehrbereit. Der Spiegel 41/1962 

 

Die SPIEGEL-Affäre. Der Spiegel (2002)

 

Fuchs, Christiane. Armin Mohler und seine Rolle als Rechtsintellektueller in der Bundesrepublik. Universität Regensburg 2020

 

Herzog Doppelzunge. Der Spiegel 21/1969

 

Jünger, Ernst. In Stahlgewittern. Klett-Cotta 197

 

Kamann, Matthias. Was Höcke mit der „Denkmal der Schande“-Rede bezweckt. Welt, 18.01.2017

 

Mäule, Timo. 27.05.2020. Neurechter Mythos? Die Brüder Hepp in Tübingen. Historischer Augenblick, 27. Mai 2020

 

Nie Da. Der Spiegel 46/1969

 

Ottmann, Henning. Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert – Der Totalitarismus und seine Überwindung. J.B. Metzler 2010

 

Weiß, Volker. Die autoritäre Revolte. Die NEUE RECHTE und der Untergang des Abendlandes. Klett-Cotta 2017

 

Wegener, Nils. Alter Rechter, junger Rechter, kein Rechter – Mohler, Hepp, Strauß. in: Sezession 67 (2015)

lebt in Bayern, arbeitet als Brauer und studiert Politikwissenschaften und Soziologie. Seine Interessen gelten der Politik, Soziologie, Geschichte, Philosophie, Rechtsextremismus – Gegneranalyse, Literatur und Musik

Podcast

Artikel

Max Brym war in seinem Leben DKP-Kader, Maoist und Trotzkist. Nicht umsonst war er in seiner bayerischen Heimat als "Roter Max" verschrien. Im Alerta Gespräch erzählt er über sein Leben und sein Buch über seine Zeit als Maoist.