Gepriesen sei die Ideologiekritik

In dem Monty Python Film „Das Leben des Brian“ geht es um mehr als nur Religionskritik. Im Zentrum steht die Kritik sämtlicher Ideologien, die in ihren geschlossenen Systemen das reflektierte Denken unterbinden.
Ungeduldig warten die Anhänger•innen Brians auf neue Worte und Weisungen ihres Messias. Der jedoch will, dass sie niemanden folgen.
Screenshot: Das Leben des Brian/Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Es ist ein Stück britische TV-Geschichte: Einen Tag nach der UK-Premiere ihres Films „Monty Python’s Life of Brian“ (dt. „Das Leben des Brian“) treffen John Cleese und Michael Palin in der Talkshow „Friday Night, Saturday Morning” auf den Journalisten Malcolm Muggeridge und den Bischof von Southwark, Mervyn Stockwood, um über den Film zu diskutieren. 

Moderator Tim Rice unterhält sich mit Cleese und Palin für die erste Viertelstunde in einer lockeren Atmosphäre, bis Muggeridge und Stockwood auftreten. Sie halten den Film für „zehntklassig“, er sei nicht imstande, mit seinem „Studentenhumor“ den Glauben von Christ•innen ernsthaft anzugreifen. Cleese und Palin behaupten, dass dies auch nicht die Absicht gewesen sei.

Es hält sich bis heute hartnäckig die Ansicht, dass es bei „Das Leben des Brian“ primär um einen satirischen Angriff auf Glauben und Religion geht. Der Tagesspiegel schreibt etwa dass es kaum einen satirischen Film gebe, „der so respektlos mit dem Glauben umgeht.“ Dies blendet jedoch einen großen Teil der Geschichte um Brian aus. Vielmehr muss „Das Leben des Brian“ als ein ideologiekritischer Film gesehen werden.

Die Sache mit der Ideologie

Um sich der Ideologiekritik anzunähern, muss man die Handlung des Films genauer beleuchten. Brian (Graham Chapman) lebt zur gleichen Zeit wie Jesus (Kenneth Colley) im römischen besetzten Jerusalem. Während Jesus auf dem Berg zu den Menschen predigt, schließt sich Brian der „Volksfront von Judäa“ (VVJ) an, einer antiimperialistischen, nationalen Befreiungsgruppe.

Brians Handeln ist zum einen politischen motiviert, da er die Römer•innen genauso hasst, wie die VVJ. Andererseits hat er sich auch in Judith (Sue Jones-Davies) verliebt, die ebenfalls Mitglied der Gruppe ist. Beim Fluchtversuch vor der Römern wird Brian versehentlich zum Messias, da er zur Tarnung die Rolle eines Predigers übernimmt und trotz anfänglicher Schwierigkeiten die Massen mit seinen unklaren Botschaften für sich begeistern kann.

Brian ist ein Antiheld: Er ist Messias wider Willen, seine Aussagen werden zwar von seiner wachsenden Anhängerschaft aufgesogen, allerdings nicht befolgt. Hier setzt die Ideologiekritik von Monty Python an. Als er vom Fenster seiner Wohnung zur Menge spricht, bekräftigt er, dass sie niemandem zu folgen haben. Unisono schallt es zurück: „Ja, wir sind alle Individuen.“

"Wir würden absolut bestreiten, zumindest würde ich das so sagen, dass man nicht an Christus glauben sollte. Was wir sagen, ist: Betrachtet es kritisch. Informiert euch darüber. Glaubt nicht einfach daran, nur weil jemand es euch sagt."

Ideologien beeinträchtigen das reflektierte Denken. Im Film wird dies scheinbar auf Religionen übertragen, aber Brians eigentliche (politischen) Sympathien für die VVJ zeigen, dass die Religion nur als Beispiel von vielen unterschiedlichen Ideologien dient. Durch die Popularität der Bibelgeschichte ist es einfacher, die offensichtlichen Referenzen im humoristischen Kontext zu verstehen. Dennoch stellt Michael Palin klar:

"Wir haben eine bestimmte Gruppe von Menschen genommen, die allgemein England heutzutage repräsentieren und sie in einen historischen Kontext gestellt."

Somit steht die VVJ und die „Judäische Volksfront“ stellvertretend für das Sektierertum in der politischen Linken, die zum Teil sehr ähnlich denken und handeln und auf den ersten Blick kaum voneinander zu unterscheiden sind. Nicht umsonst haben die VVJ und die „Kampagne für ein freies Galiläa“ denselben Plan: Die Entführung von Pilatus‘ Frau.

Denn schlussendlich treten in allen Ideologien früher oder später Spaltungen auf, da man sich uneins über die Interpretation der Gedanken und Ideen der Gründer•innen ist: Petrus und Paulus streiten darüber, ob man als Heide direkt zum Christ getauft werden kann. In der sozialistischen Bewegung diskutieren Eduard Bernstein, Karl Kautsky und Rosa Luxemburg über die Notwendigkeit einer Revolution zum Erreichen des Sozialismus. Brians Anhängerschaft ist sich nicht einig, ob man die Sandalen einsammeln, oder es dem “Herrn” nachmachen soll, während andere lieber der Flasche folgen.

Im Laufe der Zeit entwickeln sich eigentlich menschenfreundliche Ideen in ihr Gegenteil: Es entstehen geschlossene Gedankensysteme, die unempfänglich für kritisches und reflektiertes Denken werden. Man glaubt im Besitz der einzig wahren Wahrheit zu sein, die einen berechtigt, auch gegen die selbstauferlegte Moral zu handeln. Unweigerlich stehen die Anhänger•innen dieser Systeme vor der Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt.

Die Sache mit dem Imperialismus

In „Das Leben des Brian“ lohnt es sich zumindest nicht. Die Entführung von Pilatus‘ Frau geht mächtig schief und Brian wird zum Tode durch Kreuzigung verurteilt. Es scheint an dieser Stelle auch etwas Kritik am Imperialismus durchzuscheinen, die, wie Kathleen Cassidy richtig bemerkt, sonst viel zu kurz kommt.

In einer der berühmtesten Szenen des Films fragt Reg, der Anführer der VVJ, was die Römer je für sie getan hätten, nur um anschließend mit den Vorzügen der römischen Besatzung konfrontiert zu werden.

Dies, so Cassity, könne leicht als Entschuldigung für das Imperium interpretiert werden, was umso schwerer wiegt, da Monty Python (fünf Briten und ein US-Amerikaner) selbst aus Ländern von Imperialist•innen stammen. Die Kreuzigung als barbarische Hinrichtungsmethode steht jedoch im deutlichen Kontrast zu dem zivilisatorischen Anschein des römischen Reiches.

"Menschen wurden als gewöhnliche Verbrecher gekreuzigt, eine Form der Todesstrafe, die von den Römern, die als hochzivilisiertes Volk gelten, angewandt wurde. Aber es war die Todesstrafe."

Auch wenn man die Essenz der Gruppen wie die VVJ oder der “Kampagne für ein freies Galiläa” auf jegliche politische Gruppe anwenden kann, ist aufgrund des militanten Auftretens durchaus eine Parallele zu Gruppen wie die Irish Republican Army (IRA) zu sehen. Zum einen spricht dafür die geografische Nähe zu Monty Python und zum anderen kam es in der Vorbereitungszeit des Films zu einigen Anschlägen der IRA in London und Umgebung. Davon berichtet Michael Palin auch sporadisch in seinem Tagebuch.

Ähnlich wie Bobby Sands, der zwei Jahre nach Erscheinen des Films einen Märtyrertod stirbt, ergeht es Brian, wenngleich unfreiwillig. Doch Märtyrer•innen sind ein unerlässlicher ideologischer Schatz für das Narrativ jeglicher Ideologie. Die VVJ tut aus ihrer Sicht also gut daran, Brian nicht zu befreien.

Jeder nur ein Kreuz

Es ist vor allem diese Schlussszene am Kreuz, an der sich überzeugte Christ•innen wie Malcolm Muggeridge und Mervyn Stockwood empörten. Während John Cleese behauptet, dass es hierbei um den Tod allgemein geht, sieht Bischof Stockwood, dass Jesus in einem der heiligsten Momente als Clown dargestellt werde.

Malcolm Muggeridge führt weiter aus, dass der Tod am Kreuz der Beginn der westlichen Zivilisation und Inspiration für die größten Künstler der Geschichte gewesen sei. Moderator Tim Rice fragt korrekterweise nach, ob es dann sowas wie ein Copyright auf die Kreuzigung gebe, die im römischen Reich, wie eben behandelt, eine normale Hinrichtungsmethode darstellte.

Die Kreuzigung ist unmittelbar mit dem Christentum verbunden. Sie ist das Symbol dafür, dass Gott seinen menschgewordenen Sohn auf brutalste Art und Weise opfern lässt für die Vergebung der Sünden aller. Und trotz der unerträglichen Qualen bittet Jesus seinen Vater, all jenen zu vergeben, die ihm diesen Tod beschert haben. Dies ist ein essentieller Teil der christlichen Ethik: Vergib auch deinen Feinden.

Dass den überzeugten Christen Stockwood und Muggeridge angesichts der folgenschweren Dramatik nicht zu lachen zumute ist, mag verständlich sein. Dies beruht allerdings auch auf dem Missverständnis, dass Brian Jesus sei. Ohne die Geschichte vom Leben und Sterben Jesu gäbe es Brian nicht, argumentiert Stockwood. Damit mag er recht haben, dennoch ist es mehr als ersichtlich, dass Brian und Jesus im Film zwei komplett unterschiedliche Personen sind.

“Ich glaube, dass viele Zuschauer den Eindruck haben, dass wir Christus tatsächlich physisch lächerlich gemacht haben. Er wird von dem Schauspieler Kenneth Colley gespielt. Er spricht die Worte der Bergpredigt und wird absolut respektvoll behandelt."

Der humoristische Widerstand

In dieser Schlussszene passiert etwas, das zutiefst dem Wesen der Ideologien widerspricht. Die Gekreuzigten lachen dem sicheren Tod ins Gesicht. Lachen ist eine Form der Souveränität, wie Hannah Arendt richtig erkannte. Im Gespräch mit Günter Gaus sagte sie gar: „Ich weiß aber eines: Ich würde wahrscheinlich noch drei Minuten vor dem sicheren Tod lachen.“

Die zersetzende Stärke von Lachen stellt eine Gefahr für jede Ideologie dar, da die Autorität infrage gestellt wird. Nicht umsonst versucht der blinde Mönch Jorge von Burgos in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ das Lesen und das Übersetzen von Aristoteles zweitem Buch zur Poetik zu verhindern. Es behandelt die Komödie. 

"[A]us diesem Buch könnte leicht der luziferische Funke aufspringen, der die ganze Welt in einen neuen Brand stecken würde, und dann würde das Lachen zu einer neuen Kunst, die selbst dem Prometheus noch unbekannt war: zur Kunst der Vernichtung von Angst!"

Angst ist ein wichtiges Mittel zur Durchsetzung von Terror und Willkür. Nicolò Machiavelli spricht davon, dass man Menschen nicht kränken, sondern schwer schädigen muss. So können sie einem Herrscher nicht schaden, aus Angst, dass ihnen Unrecht geschieht. Im Moment des Lachens aber ist die Angst abwesend. Davor fürchtet sich Jorge von Burgos, denn es würde die Gottesfürchtigkeit der Menschen zerstören und somit auch die Autorität der Kirche begraben.

Jegliches geschlossene System ist aus diesem Grund nicht nur kritikfeindlich, sondern auch humorfeindlich. Man erinnere sich an die Polemik in Bezug auf die extra3-Satire über Erdogan, oder auch an die „Gleichschaltung“ der deutschen Satirezeitschrift Simplicissimus im April 1933.

Mohammed-Karikaturen zeigten in den letzten Jahrzehnten, dass jegliche Art von ideologischen Fanatismus es mit seiner Humorlosigkeit todernst meint und nicht zuletzt waren die Debatten über “Das Leben des Brian” zur Zeit der Veröffentlichung von Blasphemievorwürfen geprägt. Einige britische Gemeinderäte beschlossen sogar, den Film in ihren Gemeinden nicht zu zeigen.

Was von “Das Leben des Brian” bis heute bleibt, ist ein durch und durch philosophischer Film, der weit über Religions- und Glaubenskritik hinausgeht. Jegliche ideologische Borniertheit, sei sie religiös, atheistisch oder politisch geprägt, wird in diesem Film der Lächerlichkeit preisgegeben. Am Ende bleibt die Gewissheit, dass wir niemandem zu folgen haben. Auch dieser Argumentation nicht.

Literatur

Arendt, Hannah: Was bleibt? Es bleibt die Muttersprache. in: Gaus, Günter: Was bleibt, sind Fragen. Das Neue Berlin 2000

 

Cassity, Kathleen J.: ‚Political Correctness‘, Reversal and Incongruity. Dynamics of Humour in ‚Life of Brian‘. in: And Now for Something Completely. Different Critical Approaches to Monty Python. Edingburgh University Press 2020

 

Eco, Umberto: Der Name der Rose. dtv München 1987

 

Küng, Hans: Kleine Geschichte der katholischen Kirche. Berlin Verlag Taschenbuch 2004

 

Palin, Michael: Diaries 1969 – 1979. Weidenfeld & Nicolson 2006

ist Chefredakteur und Gründer von Alerta. Sein Interesse gilt insbesondere der linken und antifaschistischen Geschichte und Kultur. Er lebt und schreibt in Saragossa/Spanien.

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